Informationen zum Buch

Titel:  Die Evolution, das Leid und die Vorsehung

Untertitel:  Der Preis unserer Freiheit und das Handeln Gottes

Verlag: LIT, Wien 2024. Erschienen in der Rubrik: Theologische Orientierungen, Band 55

Kerninhalte und Hauptbotschaft des Buches:

Es wurden evolutionsbiologische und kognitionswissenschaftliche Erkenntnisse mit theologischen Aussagen sowie mit empirischen Belegen über das Handeln Gottes in der Welt (die zum Teil mit Hilfe modernster naturwissenschaftlicher Methoden untersucht wurden) verknüpft. Die dabei gewonnenen Ergebnisse bilden nun eine rational nachvollziehbare Begründungsbasis für eine Reihe von Schlussfolgerungen. Mit diesen scheinen sich offene theologische Fragestellungen beantworten zu lassen. Diese betreffen z.B. die Theodizee –Problematik betreffend die Fragen, wie die Liebe Gottes neben all dem erkennbaren Leid gedacht werden sollte, wie die Vollkommenheit Gottes in Einklang mit der unvollkommenen Schöpfung gebracht werden könnte und wie es möglich wäre, dass neben der Allmacht und der Liebe Gottes nach wie vor das Böse in der Welt existiert. Alle getroffenen Schlussfolgerungen finden zur Gänze Deckung in den Evangelien.

Die Inhalte des Buches wurden von zwei Dogmatikern überprüft, von Univ. Prof. Dr. Willibald Sandler vom Institut für systematische Dogmatik der Universität Innsbruck sowie von Univ. Prof. em. Dr. Bernhard Körner vom Institut für Dogmatik der Universität Graz, der auch ein Vorwort zum Buch verfasst hat.

Konkret kann auf folgendes hingewiesen werden:

Über die Evolutionsbiologie[1] lässt sich der Nachweis erbringen, wonach das Leid im Zusammenhang mit dem Überlebenstrieb der Motor der Evolution ist. Ohne Leid hätte es in der Biosphäre nicht die uns bekannten evolutionären Entwicklungsprozesse gegeben, die schlussendlich zu uns vernunftbegabten Menschen geführt haben. Wir können somit aus der christlichen Perspektive von der Annahme ausgehen, dass Gott in seiner  Vorsehung die Evolution als jenen Weg gewählt hat, der in der Lage war, uns Menschen als entscheidungsautonome  Wesen entstehen zu lassen. Auf diese Weise sind wir durch die leidinduzierten evolutionären Prozesse in die Lage gekommen, uns für oder gegen das Liebesangebot Gottes entscheiden zu können. Das ist aus der christlichen Perspektive der Daseinsgrund unseres Menschseins.

Somit kommt dem vergangenen und gegenwärtigen Leid, im Zusammenhang mit der Vorsehung Gottes, eine neue und andere Bedeutung zu als es bisher angenommen wurde, wobei diese neue Bedeutung, bezüglich ihrer theologischen Konsequenzen, aus einer ebenso neuen Perspektive zu betrachten und zu bedenken wäre.

Anhand der Mechanismen der Evolution können wir weiters lernen und nachvollziehen, wie konsequent Gott der gesamten Schöpfung, aus der wir entstanden sind, Freiheit geschenkt hat und vor allem, wie konsequent Gott, als der Vollkommene, diese Freiheit in allen Facetten respektiert. Der Aspekt der Freiheit der gesamten Schöpfung ermöglicht nun Schlussfolgerungen, die durch die Inhalte der Offenbarung bestätigt werden und die ebenso relevant für die Auflösung der Theodizee-Problematik sind; sie ermöglichen auch ein mit den empirischen Erfahrungen der Menschheit widerspruchsfreies Vorsehungsverständnis.

Dieses Respektieren der Freiheit in vollkommener Weise durch Gott führt auch zur Beantwortung weiterer offener Problemstellungen. Eine davon betrifft z.B. die heftig diskutierte Frage, warum Gott in dramatischen Weltsituationen, wie z.B. dem Holocaust, nicht helfend eingegriffen hat. Für viele wurde das zu einem Grund, nicht mehr an einen liebenden und handelnden Gott glauben zu können.

Anhand der neuesten Ergebnisse der Kognitionsforschung kann nun auch ein Modell skizziert werden, wie das Handeln des Heiligen Geistes in das menschliche Leben hinein gedacht werden kann, ohne dass dadurch die Freiheit der Menschen beeinträchtigt oder manipuliert wird. Die daraus möglichen Schlussfolgerungen entsprechen unmittelbar der Gerechtigkeit Gottes, der für alle Menschen das Heil möchte, auch für jene, die Christus (noch) nicht kennengelernt haben. Es können dadurch viele Glaubensphänomene nachvollziehbar und verstehbar gemacht werden.

Aus naturwissenschaftlicher Perspektive wurde bislang von der Annahme der Unverletzlichkeit der Naturgesetze ausgegangen, die ausnahmslos für alle erkennbaren Manifestationen im Universum verantwortlich wären. Deswegen wird vielfach die Meinung vertreten, es gäbe keinen Platz für eine Kausalität Gottes im Leben der Menschen. Auch viele Theologen hatten sich dieser Ansicht angeschlossen und halten aus Gründen der Transzendenz Gottes sein Handeln auf der Ebene der sogenannten Zweitursache für nicht möglich. Das ist der Hauptgrund dafür, dass viele z.B. die Wunderberichte aus den Evangelien nur mehr zeichenhaft verstehen wollen. Es kann aber aus der naturwissenschaftlichen Perspektive aufgezeigt werden, dass diese Position schon längst überholt ist; außerhalb der Physik wurde dies auf breiter Ebene aber kaum wahrgenommen. So wurde z.B. mit der Entdeckung der sog. „Schwarzen Löcher“ nachgewiesen, dass es im Universum in milliardenfacher Weise Durchbrechungen der Naturgesetze gibt. Diese haben z.B. in der sogenannten Singularität der Schwarzen Löcher keine Gültigkeit mehr. Was dieser Umstand der Durchbrechung der Naturgesetze für die Theologie und Philosophie bedeutet, muss in seiner Konsequenz noch zu Ende gedacht werden.

Es hat aber nicht erst der astrophysikalischen Kenntnisse über die „schwarzen  Löcher“ bedurft um belegen zu können, dass es vielfach Durchbrechungen der Naturgesetze gibt. Immerhin gibt es eine beträchtliche Anzahl von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, vor allem mit den Schwerpunkten Medizin / Neurologie und Neurophysiologie, Psychiatrie sowie Psychologie, die mit modernstem Equipment versuchen, Antworten auf Glaubensphänomene zu finden, die derzeit vor allem in Lourdes (Frankreich) und Medjugorje (Bosnien-Herzegowina) erkennbar sind. Dabei können mit großer wissenschaftlicher Sicherheit die Auswirkungen eines jede naturgesetzliche Kausalität übersteigenden Handelns, von wem auch immer, beschrieben und dokumentiert werden, niemals jedoch die Ursachen für derartige Auswirkungen, die aber immer und ausschließlich im religiösen Kontext nachweisbar sind. Aktuell sind z.B. nicht nur die naturwissenschaftlichen Untersuchungen (u.v.a. Hirnstrommessungen), die während der Marienerscheinungen und im Anschluss daran in Medjugorje an den Seherinnen und Sehern durchgeführt wurden, sondern auch das Seligsprechungsverfahren der Pauline Marie Jaricot im Jahr 2022, dem ein unglaubliches Heilungswunder vorausgegangen war. Dieses widerspricht völlig der Kausalität der Naturgesetze und wurde nach allen Regeln der medizinischen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts überprüft. Dass derartige Untersuchungsergebnisse kaum die breite Öffentlichkeit erreichen können, ist im glaubensskeptischen Umfeld nicht wirklich überraschend. Sie werden auch von jenen Theologen kaum wahrgenommen, die anhand exegetischer Schlussfolgerungen und philosophischer Überlegungen jedes Handeln Gottes ausschließen, das sich nicht durch die Naturgesetze sowie durch ein von Menschen „vermitteltes“ göttliches Handeln erklären lässt.

Dazu kommt eine unglaublich große Anzahl von Glaubensphänomenen, bei denen eine naturgesetzliche Kausalität nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, die aber dennoch jeglicher naturgesetzlichen und statistischen Gesetzmäßigkeit widersprechen und die abseits aller menschlichen Erfahrungen und der zu erwartenden Kausalität stehen. Sie lassen sich vielleicht als Zufälle beschreiben, sind aber in der Regel überaus komplexe und ineinander greifende „Zufallsketten“. Für die betroffenen Menschen besteht jedoch häufig eine deutliche Kausalität, weil diese Ereignisse immer in einem ganz klaren Zusammenhang mit einem vertrauensvollen Beten und Bitten stehen und als Antworten Gottes auf ihr Bitten verstanden werden können. Das können medizinisch nicht absehbare körperliche sowie seelische Heilungen sein, das können vielfältige und unterschiedlichste Gebetserhörungen und „Fügungen“ sein. Diese können sowohl die betenden Personen selber betreffen, als auch andere Personen oder Situationen, für die konkret um göttliche Hilfe gebetet oder gefastet wurde. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit deren Eintretens sprengen derartige Erfahrungen jegliche statistische Größenordnung. Bei manchen Menschen ist eine statistisch niemals erfassbare Häufung derartiger Phänomene zu beobachten, was als absoluter Ausschließungsgrund für Zufälle anzusehen ist und gleichzeitig einen wunderbaren Anknüpfungspunkt für eine Ursachenforschung darstellt. 

Anhand der vielfältigen untersuchten empirischen Belege kann aufgezeigt werden, dass ein Handeln Gottes nicht nur abseits jeglicher Zufallsmöglichkeiten erfolgt, sondern auch in einer häufig deutlich nachvollziehbaren Weise. Dabei lässt sich erkennen, wann und unter welchen Bedingungen Gott bereit zu sein scheint, im Leben der Menschen zu handeln, weil immer wiederkehrende Muster im Handeln Gottes erkennbar und beschreibbar sind. Diese können, wegen ihrer gemeinsamen Nenner, ausdrücklich keine Zufallsereignisse sein. Zufälle haben keinen gemeinsamen Nenner, sondern folgen stochastischen Gesetzen mit einer linearen Verteilungsquote, wogegen sich das Handeln Gottes in Gauß´schen Verteilungskurven darstellen lässt. Offensichtlich ist auch der Umstand, dass Gott direkt proportional zur menschlichen Hingabe an seinen Willen zu handeln scheint. Diesen Umstand hat bereits der Theologe Karl Rahner auf philosophischer Ebene mit seinem „Proportionalitätsaxiom“ grundsätzlich postuliert, es wurde aber nur für den metaphysischen Bereich als gültig angesehen (z.B. bezüglich des Handelns Gottes auf die Fürbitte von Heiligen). Es kann allerdings auf empirischer Ebene konkretisiert und nachvollziehbar gemacht werden, dass dieses Proportionalitätsaxiom für sämtliches Handeln Gottes gegenüber uns Menschen zu gelten scheint. Dieser Umstand lässt sich auch durch Aussagen Jesu untermauern.  Bemerkenswert ist, dass dieses proportionale Handeln Gottes im Hinblick auf die menschliche Freiheit als unmittelbarer Ausfluss seiner Gerechtigkeit verstanden  werden kann.

Diese rational nachvollziehbaren Erkenntnisse bilden nun die Basis für eine Reihe von Schlussfolgerungen, die von großer Bedeutung für unser Leben vor Gott sind. Viele sind altbekannt, erfahren aber auf diese Weise eine neue Begründung auf naturwissenschaftlicher / rationaler Basis. Von besonderer Bedeutung sind folgende  Aspekte:

Das Proportionalitätsaxiom hat ein besonderes Gewicht für unser Leben vor Gott. Es kann als Ergebnis unzähliger Belege über das Handeln Gottes folgendermaßen beschrieben werden:

Das Handeln Gottes in unserem Leben scheint in seiner erfahrbaren Intensität und Häufigkeit direkt proportional zu unserer Bereitschaft und unserem Bestreben zu sein, ihn finden zu wollen, ihm den ersten Platz in unserem Leben einzuräumen und unser eigenes Wollen an seinem Wollen auszurichten. Je mehr sich unsere persönliche Gottesbeziehung der Gottesliebe annähert, desto deutlicher werden seine Antworten auf unser Bitten und Beten ausfallen.

Die Richtigkeit dieses Grundsatzes kann, angefangen von Jesus, über Maria, die Heiligen bis hin zu Menschen in der Gegenwart, die in tiefer Hingabe an den Willen Gottes leben, nachvollziehbar gemacht werden. Von besonderer Bedeutung ist der Umstand, dass Jesus selber im Gebet des "Vater unser" auf die Proportionalität des antwortenden Handelns Gottes hingewiesen hat: So wird uns Gott unsere Schuld im gleichen Maß verzeihen (oder auch nicht verzeihen!), in dem wir Menschen bereit sind, einander unsere Schuld zu verzeihen (oder aber die Vergebung zu verweigern).

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, wie häufig Jesus das Handeln Gottes sowie unser zukünftiges Schicksal an die Erfüllung von Bedingungen geknüpft hat. So lassen sich in den Evangelien rund 100 direkte und indirekte Bedingungen nachweisen. Werden diese bei theologischen Überlegungen nicht berücksichtigt (was häufig erkennbar ist), können die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen aus zwingenden logischen Gründen nicht richtig sein. Die Konsequenzen sind deutliche Widersprüche zwischen den deduktiv ermittelten Schlussfolgerungen und den Aussagen Jesu, wobei in der Glaubensverkündigung oftmals den philosophischen Ableitungen Priorität vor den Aussagen Jesu eingeräumt wird (z.B. betreffend die Frage unseres zukünftigen Schicksales vor Gott). Kaum wahrgenommen wird dabei der Umstand, dass die unter Bedingungen abgegebenen Verheißungen Jesu ganz offensichtlich dann Wirklichkeit werden, wenn die daran geknüpften direkten und indirekten Bedingungen zuvor von uns Menschen erfüllt worden sind. Für die Richtigkeit dieser Feststellung gibt es eine Vielzahl an zutiefst berührenden Belegen, auch solche aus der Gegenwart, wobei diese überdies ihre Bestätigung im Proportionalitätsaxiom finden. Hier sollte eine Positionsbestimmung über die Relevanz empirischer Befunde versus philosophische Ableitungen vorgenommen werden.

Das Wissen um derartige Zusammenhänge kann für unser Leben vor Gott nicht ohne Folgen bleiben. Wir müssen uns daher die Frage stellen, was es für unser Leben bedeutet, wenn Gott auf unsere menschliche Hingabe an seinen Willen in proportionaler Weise zu antworten scheint, wir uns aber im Alltagshandeln nicht daran orientieren und die damit verknüpften Möglichkeiten des Heiligen Geistes nicht wahrnehmen und daher auch nicht annehmen. Erst recht müssen wir uns damit auseinandersetzen was es bedeutet, wenn wir das Handeln Gottes für unser Leben und für unser Umfeld deswegen verhindern, weil wir im Rahmen unserer Freiheit seinen Willen ignorieren und dadurch sein Handeln blockieren. Sein Nicht-Handeln ist in solchen Zusammenhängen nicht nur aus der bitteren Menschheitserfahrung offenkundig, sondern lässt sich direkt aus dem Proportionalitätsaxiom begründen. Unter diesen Rahmenbedingungen bekommt unsere Verantwortung für unser eigenes Leben, aber auch für das Leben der Mitmenschen, vor Gott ein neues Gewicht. Die Rolle Mariens als Vermittlerin des Heils kann in diesem Zusammenhang auch aus einer neuen Perspektive erkannt werden. Welche Schlussfolgerungen wir daraus als Einzelpersonen und in der Gemeinschaft der Kirche ziehen sollen, wird im Buch in intensiver Weise durchgedacht.

 

[1] Wird hingegen der kreationistische Weg oder das sog. „Intelligente Design“ als Entstehungsweg der Schöpfung angenommen, wird Gott als derjenige, der alles im Detail bestimmt, in die Verursacherrolle für jegliches Leid, für die Unvollkommenheit der Schöpfung sowie für das Böse in der Welt gedrängt. Diese Aspekte, welche zur Theodizee - Frage geführt hatten, könnten dann niemals von Gott als dem Erstursacher abgekoppelt werden; diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu seiner Liebe, Vollkommenheit und Allmacht. Zudem zeigt sich, dass die Vertreter des „Intelligenten Designs“ offenkundig die Mechanismen der Evolution nicht oder nur teilweise kennen, welche definitiv nicht mit dem Zufall gleichgesetzt werden dürfen. Der reine Zufall wäre tatsächlich ein Gegenindiz für den gezielten Schöpfungswillen Gottes. Diese aus den Anfängen der Evolutionsforschung abgeleiteten Schlussfolgerungen haben zu vielen Missverständnissen beigetragen, die augenscheinlich in der Theologie noch nicht alle aufgelöst wurden.  

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