Anton Opetnik
Anton Opetnik
Klagenfurt / Österreich

Gott schenkte besondere Gaben, um andere Menschen zur Versöhnung zu führen

Ich hatte mich gemeinsam mit einer Gruppe anderer Personen zu einer Schulung für die Leitung von Gebetsgruppen angemeldet. Diese fand in Deutschland in einem Bildungshaus in Maihingen statt, das unter der Leitung von Pater Hans Buob stand.

Ich erwartete mir dort verschiedene Vorträge, um dabei etwas „lernen“ zu können. Es kam aber anders.

Pater Buob machte uns gleich zu Beginn klar, dass wir uns alle zuerst darum bemühen sollten, selber vor Gott ganz versöhnte Menschen zu werden. Erst dann sollten wir daran denken, andere Menschen im Gebet zu begleiten und zu führen. Wenn wir nicht mit uns, mit unseren Mitmenschen und vor allem mit Gott versöhnt wären, könnten wir nicht durchlässig für Gottes Wirken sein.

Daraufhin hatte er uns eingeladen, in die Kapelle zu kommen und eine Weile still vor dem Allerheiligsten zu verbleiben. Wir sollten dabei Jesus bitten, uns zu zeigen, wo wir noch Verletzungen in unserem Herzen hätten, was uns seelisch unfrei vor Gott machen würde und was uns daran hindern könnte, der Liebe Gottes zu vertrauen. In einem zweiten Schritt sollten wir in einem Heilungsgottesdienst alles, was uns bewusst geworden ist, Gott hinlegen, mit der Bitte, es zu heilen.

Wir gingen mit ihm in die Kapelle, wo schon zwei uns unbekannte Frauen waren und beteten.

Nach einer Weile des stillen Gebets sagte plötzlich eine der Frauen, dass sie ein Bild bekommen hätte: Sie sah eine schwangere Frau, ein Mann stand neben ihr und versuchte sie zu überreden, das Kind abzutreiben, was die Frau nicht tat. Daraufhin ging der Mann weg.

Plötzlich brach neben mir mein Freund G. aus unserer Gruppe in Tränen aus und konnte sich eine Weile nicht beruhigen. Schließlich sagte er, immer noch unter Tränen: „Das bin ja ich, das ist ja mein Schicksal! Als meine Mutter zu mir schwanger war, wollte mein Vater, dass sie mich abtreibt. Sie hat es nicht gemacht, deswegen hat sie mein Vater verlassen. Ich habe es meinem Vater nie verzeihen können, dass er mich töten wollte. Ich habe aber auch meiner Mutter nicht verzeihen können. Sie hat mir später immer wieder vorgeworfen, dass sie so einen tollen und erfolgreichen Mann hätte heiraten können, wenn ich nicht im Weg gewesen wäre. Ihre Ablehnung und diese Vorwürfe haben mich immer sehr verletzt.“

Nach dieser Schilderung kehrten wir wieder in das Gebet zurück.

Plötzlich meldete sich die andere Frau, sie hatte auch ein Bild bekommen. Sie schilderte, dass sie ein ländliches Gebäude sah mit einer eigenartigen Türe, die nicht nur wie üblich einen rechten und linken Türflügel hätte, sondern auch in der Mitte geteilt war. Die oberen Türflügel standen offen. Sie sah, wie ein Mann mit einem kleinen Kind an der Hand in dieses Haus hineinging. Im Gebäude hörte sie dann das Kind weinen und rufen, während der Mann weg ging, ohne sich nur ein einziges Mal umzudrehen.

Nun war es eine Frau aus unserer Gruppe, die sich ganz betroffen meldete – „ja, dieses Mädchen, das war ich!“ Sie erzählte, dass sie aus einer großen Familie mit vielen Kindern stammt. Als sie 5 Jahre alt war, wurde ihr Vater schwer krank und konnte nicht mehr arbeiten gehen. Ein für sie fremder Mann hat sie daraufhin auf einen Bauernhof mit genau solchen Türen zu völlig fremden Menschen gebracht, wo sie dann die nächsten Jahre gelebt hatte. Er hat sie dort abgegeben und ist wortlos fortgegangen. Sie hat viel später die Notlage ihrer Eltern verstanden, die nicht mehr gewusst haben, wie sie die Kinder ernähren konnten. Der Umstand, dass ihre Eltern mit ihr nicht darüber geredet und diese Situation erklärt hatten, war für sie aber ein dramatischer Vertrauensbruch, den sie nie überwunden hat.

Nach einer neuerlichen Phase des stillen Gebetes war es wieder die erste Frau, die noch ein Bild für jemanden von uns erhalten hatte. Sie sah eine Familie mit Kindern, wobei der Vater die Kinder schlug. Die Mutter stand bewegungslos daneben.

Nun war es eine andere Frau aus unserer Runde, die nun ebenso tief betroffen erzählte, dass dieses Bild aus ihrer Kindheit stammt: Ihr Vater war Alkoholiker. Sehr oft, wenn er betrunken nach Hause kam, schlug er sie und ihre Geschwister. Viel mehr als die Schläge des Vaters hat sie aber das Verhalten der Mutter verletzt. Sie hatte es ihrer Mutter nie verzeihen können, dass sie ihre Kinder niemals vor der Willkür des Vaters beschützt hatte.

Jeder von uns hat an diesem Tag von Gott gezeigt bekommen, wo noch Verletztes in uns geschlummert hatte, was noch nicht zur Gänze verziehen worden war. Im anschließenden Gottesdienst konnten alle diese nun von Gott bewusst gemachten seelischen Verletzungen mit der Bitte hingelegt werden, sie zu heilen.

Wir alle durften neben diesem Geschenk der Versöhnung und der inneren Heilung aber noch zwei ganz interessante Lektionen lernen. Gott hätte ja von sich aus alle unsere seelischen Verletzungen heilen können. Da er uns aber völlige Freiheit geschenkt hat, griff er nicht von sich aus in unser Leben ein, sondern er hatte ganz augenscheinlich einen anderen Weg gewählt. Er hat Menschen, die sich im Gebet von ihm führen ließen, Gaben seines Hl. Geistes geschenkt, um uns bewusst zu machen, wo wir noch Heilung von Gott benötigen würden. Diese Gaben waren nicht für sie selber bestimmt, sondern für das Heil der Anderen. Die zweite Lektion war, dass dieses Wissen, wo Heilung nötig ist, nicht bereits die Heilung bewirkte. Gott schenkte diese Heilung nicht von sich aus, sondern er hatte ebenfalls im Rahmen unserer Freiheit zuvor auf unsere Bitte nach Heilung gewartet. Und ganz entscheidend: er hat auf unsere Bereitschaft gewartet, zuvor all jenen zu verzeihen, die sich an uns schuldig gemacht haben.

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