Barbara Reichelt
Dr.Dr. Wolfgang Reichelt
Klagenfurt / Österreich

Wie wir es lernten, uns von Gott führen zu lassen

Wir hatten im Rahmen eines Glaubenskurses gehört, man könne sich von Gott konkrete Antworten auf konkrete Fragen erbitten, wenn man mit ihm im Gebet verbunden ist. Gott wird aber nur dann eine Antwort geben, wenn man nicht aus Neugierde experimentiert, sondern aus ehrlichem Herzen von ihm eine Antwort erbittet. Man soll dazu die Bibel aufschlagen und ohne hinzuschauen den Finger auf irgendeine Stelle legen. Dort würde dann die Antwort auf die Frage zu lesen sein. Wir hielten das für verrückt, mussten aber zugeben, dass alle Personen, die uns davon erzählten, zutiefst vertrauenserweckend waren. Wir hatten jedoch den Eindruck, dass diese Glaubenspraxis nichts ist, was für uns in Frage kommen könnte.

Als wir unser 10-jähriges Hochzeitsjubiläum feierten, machten wir zu Fuß eine Dankeswallfahrt zu einem weit entfernten Marienheiligtum, nach Mariazell. Wir waren mit Rucksäcken 10 Tage lang unterwegs. Unsere drei Kinder waren in dieser Zeit gut versorgt. Wir hatten beim Gehen viel Zeit zum Beten. Dabei kam auch der Gedanke auf, für ein besonderes Problem zu beten und Gott um seine Hilfe zu bitten. Vielleicht würde er uns auch eine Antwort darauf geben, wie wir es lösen könnten. Es gab nämlich eine Person in unserem Umfeld, deren Verhalten für mich (Barbara) sehr belastend war und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.

Nachdem wir einen Rosenkranz gebetet hatten, nahm Wolfgang unsere mitgenommene Bibel und tat, wie wir es beim Glaubenskurs gehört hatten. Ich vermutete, dass wir solch eine Stelle erhalten würden, wie: „Liebe deine Feinde“ oder „du sollst nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzig mal verzeihen.“

Was Wolfgang aber aufschlug, war das genaue Gegenteil davon: Matthäus 10,34: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“  Wir waren frustriert. Wir konnten mit dieser Stelle nicht das Geringste anfangen und wir hatten den Eindruck, dass entweder die Erzählungen nicht stimmen, wonach Gott konkret führen würde, oder dass Gott kein Interesse daran hat, uns eine vernünftige Antwort zu geben. Außerdem schien uns diese Stelle so gar nicht zur Botschaft Jesu zu passen, der doch so oft von Frieden und Versöhnung geredet hatte.

Am nächsten Tag nahm ich, nachdem wir gemeinsam gebetet hatten, die Bibel. Vielleicht würde ich von Gott eine Stelle erhalten, die mir weiterhelfen könnte. Wenn nicht, würden wir diese Versuche, Gott um eine Antwort zu bitten, einstellen. 

Ich tat es ebenso wie Wolfgang, schlug mit geschlossenen Augen die Bibel auf, hielt den Finger auf irgendeine Stelle und schaute, was dort zu lesen wäre. Es verschlug uns den Atem. Ich hatte bei einem anderen Evangelisten, bei Lukas 12,51, eine analoge Stelle erhalten! Sie lautet: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, ich sage euch, nicht Friede, sondern Spaltung.“ Wir waren sprachlos. Wir hatten an verschiedenen Stellen die gleiche Antwort erhalten. Das konnte unmöglich ein Zufall sein. Wir lasen den gesamten Text, dann fiel es wie Schuppen von den Augen. Jesus hatte davon gesprochen, dass nicht alle Menschen ihm nachfolgen würden und das würde zu Spaltungen unter den Menschen führen. Diese Spaltungen würden sogar innerhalb von Familien auftreten, weil sich die einen zu Jesus bekennen, die anderen sich aber gegen Jesus stellen würden.

Wir hatten mit dieser Stelle plötzlich eine Antwort bekommen, die in der Lage war, mein Problem zu lösen! Ich habe ein starkes Harmoniebedürfnis und konnte mit Spannungen, die durch andere Menschen erzeugt werden, nicht gut umgehen. Ich konnte nun nach dieser Bibelstelle akzeptieren, dass es in manchen Fällen nicht möglich ist, eine Harmonie unter den Menschen herzustellen. Es müsste dazu einer der betroffenen Personen seine Position zur Gänze aufgeben. Wenn man den Weg des Glaubens gehen möchte, ist das eine Bedingung, die nicht in Frage kommt. Seit diesem Moment konnte ich die Spannungen zu dieser anderen Person ohne weitere Probleme aushalten, ich konnte auch für diese beten. Das führte bei mir zu einem inneren Frieden. Dieses seit langem schwelende Problem war gelöst.

Das war für uns ein erstaunlicher Lernprozess. Dieser betraf nicht nur den Umstand, dass Gott auf unsere Bitte hin überhaupt etwas so Konkretes und Hilfreiches mitteilen würde, sondern auch, dass er offensichtlich kein Problem damit hat, etwas zwei Mal zu sagen, wenn man es beim ersten Mal nicht verstanden hat. Entscheidend dafür scheint zu sein, im Gebet mit ihm verbunden zu bleiben. Wir sollten das bei dieser Wallfahrt noch ein weiteres Mal erleben.

Auf der Heimfahrt mussten wir an einem Bahnhof eine längere Zeit auf den Zug warten. Wir wollten das im Gasthaus auf dem Bahnhofsgelände tun und dort auch etwas essen. Das Lokal war stark verraucht, aber ich (Wolfgang) fand einen Nebenraum, in dem nicht geraucht wurde. Dort wollten wir uns niederlassen. Der Kellner erlaubte es aber nicht mit dem Hinweis, dass dieser Raum für eine geschlossene Gesellschaft reserviert wäre. Wir mussten uns daher mit dem verrauchten Raum zufrieden geben und bekamen unser bestelltes Essen.

Kurze Zeit später betrat ein elegantes Ehepaar das Lokal. Den Mann störte der starke Rauch ebenfalls, er verlangte vom Kellner einen rauchfreien Raum und wurde problemlos dorthin geführt, wo wir vor kurzem hinausgeschickt worden waren. Natürlich sahen wir nach den 10 Tagen Fußmarsch nicht so gepflegt aus, wie dieses elegante Ehepaar, aber mich ärgerte diese Ungleichbehandlung sehr. Ich beschloss, dem Kellner meinen Unmut deutlich zur Kenntnis zu bringen.

Barbara bemerkte dies und versuchte mich zu beruhigen. Sie meinte, es wäre besser, ich würde für den Kellner ein „Vater unser“ beten, als mich über ihn zu ärgern. Dieser Hinweis gefiel mir überhaupt nicht und ich lies mich nicht davon abbringen, dem Kellner meine deutliche Meinung zu sagen. Ich hatte meinen Groll abgeladen. Es war aber nicht anzunehmen, dass der Kellner deswegen sein unfreundliches Verhalten ablegen würde.

Der Zug kam und wir fanden ein leeres Abteil. Da wir an diesem Tag noch keine Gelegenheit gehabt hatten, in Ruhe zu beten, holten wir dies nach. Wir hatten ja eine lange Zugfahrt vor uns und jede Menge Zeit. Anschließend nahm ich die Bibel, weil ich wissen wollte, ob mir Gott auch an diesem Tag etwas sagen würde. Ich schlug sie auf und die erste Stelle, die ich sah, war Matthäus 12,36. Ich war sprachlos, diese Stelle lautete: „Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen oder aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden“.

Gott hat offensichtlich ein deutliches Interesse daran, die Menschen, die bereit sind, sich von ihm führen zu lassen, in seine Schule zu nehmen. Ich hatte bereits über meine Frau den Impuls bekommen, mich nicht zu ärgern, sondern dem Kellner dessen Fehlverhalten zu verzeihen. Ich hatte es aber ignoriert.

Weil ich nochmals im Gebet den Kontakt zu Gott gesucht habe, hat er mir ein weiteres Mal, diesmal deutlicher, zu verstehen gegeben, was sein Wille ist. Ich soll im Umgang mit anderen Menschen bewusster darauf achten , ob ich durch mein Reden zur Versöhnung beitragen würde oder zur Verhärtung von Positionen. Der Anlassfall war an diesem Tag geringfügig. Wenn wir aber Gott die Möglichkeit geben, in unserem Leben zu wirken, wird er jede Gelegenheit nützen, damit wir von ihm lernen und ihm Schritt für Schritt näher kommen können.

Wir haben viele derartige Hilfestellungen bekommen, oft auch in ganz schweren Lebenssituationen.

Wie konkret uns Gott in der heutigen Zeit mit diesem alten Buch der Bibel führen kann, soll zum Abschluss noch an einem anderen Beispiel gezeigt werden.

Ich (Wolfgang) hatte einmal im Gebet einen ganz starken Impuls bekommen, jemandem in einer bestimmten Angelegenheit einen Brief zu schreiben und ihn auf ein klares Problem hinzuweisen. Ich tat dies nicht wirklich gerne, aber der Impuls war sehr deutlich. Ich setzte mich also hin um diesen Brief zu schreiben. Als er fertig war, hatte ich irgendwie ein komisches Gefühl dabei und ich zögerte, ihn abzuschicken. Ich bat Gott im Gebet um einen Hinweis, ob ich den Brief in dieser Form abschicken könnte, schließlich hatte ich ihn ja nicht aus eigenem Antrieb geschrieben. Die Antwort war mit Psalm 141,3 sehr eindeutig: „Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, eine Wehr vor das Tor meiner Lippen! Gib, dass mein Herz sich bösen Worten nicht zuneigt, dass ich nichts tue, was schändlich ist.“  Ich war etwas frustriert, weil mich der Brief viel Mühe gekostet hatte. Aber ich las ihn noch einmal konzentriert durch und entdeckte eine Passage, in der auf subtile Weise ein paar unfreundliche und abwertende Bemerkungen versteckt waren. Hätte ich selber solch ein Mail erhalten, hätte ich mich geärgert und das gesamte Mail einfach gelöscht. Gott hatte aber offensichtlich das Interesse, dass dieser Brief etwas Positives auslösen und nicht verärgert weggeworfen werden sollte.

Ich entfernte nun diese Passagen. Ich wollte aber die Sicherheit haben, dass nun wirklich alles so war, wie es sein sollte, und bat Gott nochmals um eine Antwort. Ich bekam diesmal die Stelle Psalm 103,2: „Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Ja, ich habe es nicht vergessen, was er mir immer wieder Gutes getan hat und tut und sei es, sogar bei solchen Kleinigkeiten einen klaren Hinweis zu geben, was bei meinem Tun falsch ist und richtig wäre.

 

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