Die Bedingungen in den Evangelien für unsere Erlösung und für das Handeln Gottes

Liest man die Evangelien, so kann man bezüglich der von Jesus überlieferten Aussagen verschiedene Kategorien erkennen. Neben Aufträgen und Geboten gibt es eine Fülle an Erläuterungen mit ihren für Jesus typischen Sonderformen der Gleichnisse, Seligpreisungen und auch Drohreden; es sind Gespräche und Streitgespräche überliefert und ja, viele Aussagen sind auch als Bedingungen artikuliert, vor allem betreffend das Handeln Gottes, das Reich Gottes und unser zukünftiges Schicksal vor Gott, somit alle Verheißungen Jesu.

Diese Bedingungen werden aber häufig nur als Hinweise oder Aufforderungen wahrgenommen. Sie bekommen dadurch einen eher unverbindlichen Charakter, sodass es vielfältige Interpretationen der Inhalte gibt. Nimmt man jedoch die Aussagen Jesu als das wahr, was sie sind, nämlich als Bedingungen für sein Handeln und das Handeln des Vaters, so sind sie nicht mehr unverbindlich sondern sehr präzise und verbindlich.

Außerhalb der Evangelien werden Bedingungen erfahrungsgemäß deutlich als solche wahrgenommen. Wenn zum Beispiel in einem Testament drei Bedingungen enthalten sind, dann ist sofort erkennbar, dass ein versprochenes Erbe z.B. nur dann angetreten werden kann, wenn tatsächlich alle drei Bedingungen zuvor erfüllt worden sind und nicht nur eine einzige. Gibt es mehrere Bedingungen im Zusammenhang mit einem zu erreichenden Ziel oder einem Versprechen, dann redet man von kumulativen Bedingungen.Die Bedeutung von Bedingungen liegt also darin, dass erst mit ihrer vollständigen  Erfüllung die daran geknüpften Folgen und Konsequenzen in Anspruch genommen werden können. 

Das Evangelium, somit das Testament Jesu, enthält rund hundert, somit eine überraschend große Anzahl an Bedingungen. Diese sind zum Großteil überaus präzise formuliert, wobei es auch einzelne schwerer zu erkennende indirekte Bedingungen gibt. Dass es sich dabei aber nicht nur um unverbindliche Hinweise und Aufforderungen handelt, ist daraus erkennbar, dass Jesus viele Bedingungen, sowohl bezüglich ihrer Wortbedeutung als auch ihrer Sinnbedeutung, häufig wiederholt und aus den unterschiedlichsten Blickrichtungen erläutert hat. Das Ziel Jesu war ganz augenscheinlich immer dasselbe: Seine Zuhörer sollten erkennen, dass die Erfüllung der von ihm formulierten Bedingungen die zwingende Voraussetzung dafür darstellt,  dass wir die Wege finden und eines Tages durch die enge Pforte gehen können, die zu Gott führt. Das soll nun konkret beschrieben werden.

Diesbezüglich soll, zu einem besseren Verständnis der Aussage, kurz auf das Wesen von Bedingungen eingegangen und einzelne  Bedingungen aus den Evangelien konkret betrachtet werden.

 

Zum Aspekt der Bedingungen

Unabhängig von der sprachlichen Ausgestaltung zeigen Bedingungen die Voraussetzungen auf, die für das Eintreten oder Nicht-Eintreten eines Ereignisses notwendig sind. Leicht erkennbar sind Bedingungen, wenn sie als klassischer Konditionalsatz formuliert werden: „Wenn – dann“. Ebenso sind Bedingungen gut erkennbar, wenn ein Imperativ oder eine Erläuterung mit Konsequenzen verknüpft sind. Etwas schwerer erkennbar sind indirekte Bedingungen: Diese zeigen sich in Aussagen, bei denen das Eintreten oder Nicht-Eintreten eines angekündigten Ereignisses oder Sachverhaltes erst dann möglich ist, wenn zuvor nicht direkt ausgesprochene aber stillschweigend inkludierte Voraussetzungen / Vorbedingungen erfüllt worden sind.

Bei klassischen Bedingungen können zwei Komponenten erkannt werden:

 

 1. Die inhaltliche Komponente

Sie definiert, was wofür die Voraussetzung darstellt. Klarheit, dass es sich bei einer vorliegenden Formulierung nicht bloß um unverbindliche Hinweise oder Erläuterungen handelt, kann man dann bekommen, wenn die Bedingung in der Verneinung formuliert wird, wenn also beschrieben wird, was passieren würde, wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird.

Beispiel:

Die Bedingung Jesu „Bittet, dann wird euch gegeben“ (Mt 7,7) wird allzu häufig nur als Aufforderung zum Bitten verstanden. Da diese Aufforderung jedoch als Bedingung formuliert ist, muss sie auch unter diesem Aspekt berücksichtigt werden. Liest man sie in der Verneinung, kann ein bislang kaum beachteter Inhalt wahrgenommen werden und diese Aussage bekommt plötzlich ein anderes Gewicht: „Wenn ihr nicht bittet, dann wird euch auch nicht gegeben!“ 

Wenn also dieser Satz Jesu nur als Aufforderung und nicht gleichzeitig als Bedingung verstanden wird, dann kann die Notwendigkeit, dass für die Erfüllung dieser Bitten zuvor die anderen von Jesus genannten Bedingungen ebenso erfüllt sein müssen, nicht erkannt und daher auch nicht berücksichtigt werden.  – Man denke nur an das Beispiel des Erbes, das nicht angetreten werden kann, wenn die darin enthaltenen Bedingungen lediglich als Hinweise verstanden werden. Die fehlende Erkenntnis über die Notwendigkeit der gemeinsamen Erfüllung aller Bedingungen ist dadurch ein fataler Grund, der den Antritt der Erbschaft verhindern kann. Dazu später mehr.

Wie ernst es Jesus mit den unterschiedlichen Bedingungen gemeint hat, die er mit unserem Schicksal und dem Handeln Gottes verknüpft hat, lässt sich daraus erkennen, dass in allen Evangelien davon berichtet wird, dass Jesus alle  wesentlichen Bedingungen nicht nur oftmals wiederholt und erläutert hat, sondern sie sowohl in der normalen Bedingungsform gesagt, sie mehrfach aus verschiedenen Blickwinkeln erläutert und dann zur Verstärkung sogar in der Verneinungsform wiederholt und zusätzlich in Gleichnissen „visualisiert“ hat. Bei Johannes häufen sich noch die Wiederholungen, was darauf hinweist, wie wichtig Jesus, laut Johannes, die kumulative Erfüllung seiner Bedingungen war.

Die vielen Bedingungen Jesu haben alle die gleiche Zielrichtung, sodass sie sich gut zusammenfassen lassen. Durch deren  gemeinsamen Nenner lassen sie sich zur folgenden Generalaussage verdichten:

Du wirst Erlösung finden, wenn du den Willen des Vaters erfüllt hast.

Du wirst in deinem Leben dann das Handeln Gottes erfahren, wenn du zuvor bereit warst, seinen Willen zu erfüllen.

Alle Bedingungen spitzen sich somit im „Vater unser“ zu, mit dem klar definierten Ziel, dass durch uns (siehe Mt 6, 33) sein Reich des Friedens, der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit auf Erden errichtet und sein Wille erfüllt werden soll.

Es würde hier bei Weitem den Rahmen sprengen, die ganze Fülle an Bedingungen Jesu zusammenzufassen; aber auch der nachstehende exemplarische Überblick kann bereits die oben erwähnte Generalaussage nachvollziehbar machen:

  • Eine wesentliche Bedingung, die Gott für unsere Erlösung stellt, bezieht sich auf die Vergebung der Schuld. Weil wegen seiner Liebe zu allen Menschen der Friede auf Erden für Gott ein ganz zentrales Anliegen zu sein scheint und die Vergebungsbereitschaft die zwingende Bedingung für den Frieden  dafür darstellt, hat er die Notwendigkeit unserer Vergebungsbereitschaft als Bedingung für unser  späteres Schicksal in das Gebet des „Vater unser“ integriert. Wir sollen uns wohl jedes Mal beim Beten diese Notwendigkeit bewusst machen (Mt 6,12). Um ja keine Vermutung aufkommen zu lassen, das wäre nur eine unverbindliche Empfehlung, hat Jesus gleich anschließend diesen Inhalt des „Vater unser“ in der klassischen Bedingungsform, wiederholt: Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben (Mt 12, 14). Und damit auch der letzte Begriffsstutzige die Dringlichkeit dieser Bedingung erkennen kann, hat Jesus sie nochmals wiederholt, diesmal in der unmissverständlichen Verneinungsform: Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben (Mt 12, 15). In mehrfacher Weise hat er die Notwendigkeit der Vergebung noch an anderen Stellen und in jeweils anderen Zusammenhängen wiederholt. Diese Bedingung zeigt die Gerechtigkeit Gottes auf, weil er unsere Freiheit vollkommen respektiert: Wir bestimmen im Rahmen unserer Freiheit, ob und in welchem Ausmaß wir vergebungsbereit sind. Dadurch bestimmen wir selber, ob auch uns vergeben werden kann oder nicht. Gott ist der Treue und er wird ein gegebenes Wort niemals brechen.
  • "Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden (Anm.: die nicht auf die Hilfe Gottes vertrauen). Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6, 31-33). Hier ist das antwortende Handeln Gottes eindeutig an die Bedingung geknüpft, dass wir nicht vorrangig  unsere Interessen durchsetzen sollen, sondern dass unser Bemühen und unser Wollen der Erreichung der Ziele Gottes untergeordnet sein muss: Wir sollen zuerst unseren Beitrag leisten, der zur Errichtung seines Reiches führt, somit zur Schaffung von Frieden in unseren Familien und unserem sozialen Umfeld  auf Grundlage unseres barmherzigen und gerechten Handelns, dann wird Gott antwortend handeln.
  • "Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt" (Mt 7,21). Der Wille des Vaters ist dabei klar genug definiert: Er bezieht sich auf unser Beachten und Umsetzen des Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe und in der Folge um die Realisierung seines Reiches auf Erden. Das ist somit unser bereits oben erwähnter Beitrag zur Verwirklichung  von Friede und Gerechtigkeit auf der Grundlage der Barmherzigkeit. Noch deutlicher kann man die Bedingung für unsere Erlösung nicht mehr formulieren.
  • "Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen" (Mt 18,1). – 

    Bei den Überlegungen zu dieser Stelle wird häufig der Aspekt der Umkehr ausgeblendet und nur der Hinweis auf unser „Kind-Sein“ thematisiert. Der Hauptfokus Jesu liegt aber bei der Umkehr: Umkehr bedeutet, alles zu unterlassen, was dem Vater missfällt und stattdessen seinen Willen zu erfüllen.

    „Wie die Kinder zu werden“ hat nur insofern etwas mit der kindlichen Unbekümmertheit zu tun, als ihr Handeln spontan und nicht berechnend ist, sowie im kindlichen Vertrauen auf die Hilfe des liebenden Vaters erfolgt. Ausgeblendet wird bei den verschiedenen Überlegungen oft die Bedingung des Gehorsams, zu dem die Kinder zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen – ausgenommen in den letzten Jahrzehnten in unserem westlichen Kulturkreis – gegenüber dem Vater verpflichtet sind. Die späteren   Erwachsenen, die „nicht mehr am Tisch des Vaters sitzen und dessen Brot essen“ sind gegenüber ihren Vätern ja frei und müssen ihm nicht mehr gehorchen. Denken wir nur an die Situation, bei der Josef und Maria den 12 jährigen Jesus in Jerusalem gesucht haben, wobei dann beschrieben wurde: Er  kehrte mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam (Lk3, 51) und er war auch Zeit seines Lebens dem Vater im Himmel gehorsam, bis hinein in den Tod. Auch Petrus bestätigte diesen Aspekt des Gehorsams in seinem ersten Brief ausdrücklich: „Seid gehorsame Kinder…“ (1Petrus 14). Wir sind alle Kinder Gottes und daher ihm gegenüber zum Gehorsam verpflichtet.

  • "Bittet, dann wird euch gegeben, sucht, dann werdet ihr finden, klopft an, dann wird euch aufgemacht!" (Mt 7,7): 

    Diese Aussage Jesu wird regelmäßig nur als Aufforderung zum Bitten, Suchen und Anklopfen verstanden. Durch die eindeutigen und dreifachen Hinweise auf die Konsequenzen sind das aber klassische Bedingungen. Hier besagt die Verneinung folgendes:

    Wenn ihr Gott nicht um seine Hilfe bittet, dann werdet ihr seine Hilfe auch nicht erfahren. – Gott drängt uns wegen unserer Freiheit seine Hilfe nicht auf, er wartet, bis wir ihn darum bitten.

    Wenn ihr nicht die Bereitschaft habt Gott zu suchen, dann werdet ihr ihn auch nicht finden können. Bei Jeremia ist es sogar noch deutlicher: So lässt Gott Jeremia sagen: Wenn ihr mich aus ganzem Herzen sucht, so werde ich mich finden lassen (Jer 29,13-14). In der Verneinung bedeutet das: Wenn ihr mich nicht aus ganzem Herzen sucht (nur so  nebenbei und halbherzig, bei Gelegenheit, wenn ihr nichts  anderes zu tun habt, wenn ihr mich nur als eine von verschiedenen Optionen in eurem Leben betrachtet), dann werde ich mich von euch auch nicht finden lassen!  – Wie viele Menschen haben den Eindruck, in ihrem Leben niemals etwas von Gott erfahren zu haben und wie weit korrespondiert dies mit der Feststellung, dass nur eine verschwindende Minderheit bereit ist, diese Bedingung zu erfüllen, nämlich Gott aus ganzem Herzen zu suchen?

    Schließlich: Wenn ihr nicht bei Gott anklopft, dann wird er euch nicht öffnen. – Zum „Anklopfen“ ist ja als Vorbedingung die Umkehr zu Gott erforderlich. Wer sich von ihm willentlich entfernt hat, wird nicht bei ihm anklopfen. Es hängt daher von unserem Verhalten ab, ob er uns öffnen wird und wir einmal in der Gegenwart Gottes sein dürfen. – Eine dramatische, aber weitgehend unterbelichtete  Bedingung.

  • "Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn bleibt auf ihm" (Joh 3,36). – Hier ist überaus deutlich klargestellt, dass der Gehorsam gegenüber Gottes Wille das Hauptkriterium dafür darstellt, ob wir nach unserem Tod das Leben beim Vater im Himmel erhalten werden oder „das Leben nicht sehen dürfen“. Die vor allem bei Johannes häufig verwendete Formulierung des „glauben“ zielt dabei niemals auf ein abstraktes Glaubensverständnis ab, sondern bedingt einen gelebten Glauben im Sinne der Erfüllung dessen, was uns Jesus aufgetragen hat: Uns im Gehorsam (wie die kleinen Kinder) an die Gebote des Vaters zu halten. Diese zentrale Bedingung wird von Johannes mehrfach wiederholt, ein klares Indiz für ihre überragende Bedeutung für unser Schicksal vor Gott; z.B. bei Joh 5, 24: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen, analog bei Joh 5,29 sowie auch in Joh 6,47  oder auch 8, 51, die alle in der Formulierung der Verneinung absolut unmissverständlich sind. 
  • "Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt (im Sinne von nicht gehorcht), wird verdammt werden" (Mk 16,15). Die Kausalität bezieht sich in diesem Kontext auf jene Menschen, denen das Evangelium verkündet worden ist und die es dadurch kennengelernt haben, die aber im Rahmen ihrer Freiheit nicht bereit sind, den Willen des Vaters zu erfüllen – die somit wider besseres Wissen handeln: Sie werden nicht gerettet werden! Für jene, die das Evangelium nicht kennengelernt haben, gilt die Aussage: "Was ihr den geringsten meiner Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan"… verbunden mit der Aussage Jesu, dass vor Gott nicht das Wissen um seinen Willen, sondern das Handeln nach seinem Willen zählt (Mt 21, 28ff).

Zusätzlich zu diesen und vielen anderen, eindeutig als  Konditionalsätze erkennbaren Aussagen Jesu, gibt es auch eine Fülle an indirekten Bedingungen, die etwas schwerer zu erkennen sind.  Drei sollen wegen ihrer Bedeutung erwähnt werden:

  • "Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe" (Joh 14, 26). Die Vorbedingung besteht darin, dass wir uns als Vorbereitung für die Hilfe des Hl. Geistes zuvor mit den Inhalten der Evangelien auseinandergesetzt haben mussten. An was sollte uns denn der Heilige Geist erinnern, wenn wir uns nicht zuvor mit den Inhalten seines Testamentes auseinandergesetzt haben? Diese Stelle ist unbedingt auch im Kontext von Joh 14, 15-16 zu sehen (als Bedingung!!) wobei hier Mt 7,6 und 7,7 sowie  Lk 11, 13 zusätzliche kumulative Bedingungen nennen: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen  Beistand geben“. –  Der Kontext bedeutet: Wenn ihr mich liebt und meine Gebote haltet, dann werde ich den Vater bitten – das mache ich jedoch nicht, wenn ihr mich nicht liebt und meine Gebote nicht haltet!  Jesus hat die Gabe des Heiligen Geistes seinen Jüngern (!) versprochen (und nicht jedermann, etwa auch den Pharisäern und Schriftgelehrten), somit jener Personengruppe, die Jesus liebt und die bereit ist, seine Gebote zu halten. Der Heilige Geist ist ein kostbares Geschenk. Laut Mt 7,6 soll das Heilige als Perle nicht den Schweinen vorgeworfen, sondern nur jenen gegeben werden, die Jesus lieben. Und aus Mt 7,7 sowie ausdrücklich Lk 11,13 ist erkennbar, dass wir um die Gabe des Heiligen Geistes bitten müssen (siehe auch 1 Kor 12,31). Daraus ist kein bedingungsfreier Automatismus für den Empfang dieses göttlichen Geschenks ableitbar.
  • "Meine Schafe kennen meine Stimme und folgen mir" (Joh 10 ff). Hier gibt es zwei Vorbedingungen: Wir müssen die Bereitschaft haben, die Stimme Jesu aus den vielen Stimmen in uns herauszuhören. Gott hat ein Interesse, uns seine Stimme erkennen zu lassen, er lässt uns das im „hörenden Beten“ lernen, wir müssen aber dazu die Bereitschaft haben, das immer wieder einzuüben. Die Hauptbedingung liegt aber in der Formulierung „sie folgen mir“. „Folgsamkeit“ ist keine gern ausgeübte Tugend und entsprich dem von Jesus immer wieder eingeforderten Gehorsam. Wer wird die Bereitschaft haben, Jesus zu folgen und nicht seinen eigenen Kopf durchzusetzen? Doch nur jene, die Jesus lieben und deswegen bereit sind, kompromisslos den Willen des Vaters zu erfüllen. Das Entscheidende daran: Um Jesus folgen zu können, muss zuvor auf die Durchsetzung des eigenen Willens und der eigenen Vorstellung verzichtet werden, die bei weitem nicht immer deckungsgleich mit dem Willen des Vaters ist. Das ist eine Bedingung! Hier schließt sich der Kreis zum „Vater unser“: Dein Wille geschehe!
  • Das dritte Beispiel soll ebenfalls aus dem Johannesevangelium genommen werden, obwohl es auch eine Reihe von indirekten Bedingungen in den synoptischen Evangelien gibt. Aber diese Bedingung ist offensichtlich außerhalb der Rechtswissenschaften schwer erkennbar. Johannes schreibt (14, 13-14): „Alles, um was ihr mich in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird. Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun“. Diese Aussage ist für die Allgemeinheit schwer nachvollziehbar und klingt unglaubwürdig, weil sie der üblichen Lebenserfahrung widerspricht. Wann schon haben wir beim Bitten erfahren, dass Jesus alles tun würde, um was wir ihn in seinem Namen gebeten haben??

    Die Bedingung für die Erfüllung der Bitte hängt jedoch mit der Formulierung „in meinem Namen“ zusammen. Diese leicht missverständliche Klausel bedeutet nicht, dass die Gebete „im Namen Jesu“ formuliert werden müssten, sie bedeutet: „in meiner Vollmacht“ [3]. Erst wer eine Vollmacht besitzt, kann ja im Namen des Vollmachtgebers handeln und hat dabei dessen „volle Rückendeckung“. Wenn jemand in der glaubwürdigen Prokura Jesu auftritt und tätig wird, dann, und nur dann, wird Jesus dessen Bitten erfüllen, weil nur auf diese Weise der Vater im Sohn verherrlicht wird und nicht durch unsere eigenen Bitten und Wünsche, die wir „im Namen Jesu“ formulieren.

    Wann handeln wir aber „in seinem Namen“, somit in der Prokura Jesu, sodass er bereit ist, unsere Bitten zu erfüllen? Das ist doch ausschließlich dann der Fall, wenn wir in der Nachfolge Jesu unseren Willen hintanstellen und uns stattdessen bemühen, so wie es Jesus Zeit seines Lebens getan hat, ausschließlich den Willen des Vaters zu erfüllen! Dann erst und nur dann wird der Vater verherrlicht. Das ist nichts anderes als die vollkommene menschliche Hingabe an den göttlichen Willen, auf die dann der Vater durch Jesus antworten wird. Das korrespondiert nochmals mit dem „Vater unser“: Dein Wille geschehe!  Die Bestätigung für die Richtigkeit dieser Aussage finden wir kurz darauf bei Johannes 15,15-17: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. 

        

 2. Die zeitliche und kausale Komponente von Bedingungen

 

Die in einer Konditionalform abgefassten Bedingungen lassen sowohl die jeweils Verpflichteten erkennen, als auch die zeitliche Abfolge von Handlungsschritten. Somit ist aus der Bedingung: „Bittet, dann wird euch gegeben“ nicht nur ableitbar, dass es am Verhalten von uns Menschen liegt, ob uns gegeben wird oder nicht, sondern es ist daraus auch deutlich ersichtlich, dass wir den ersten Schritt des Bittens machen müssen, ehe Gott anschließend handelnd antworten wird.

Es ist eine oft beschriebene und begründete theologische Meinung, dass es immer Gott wäre, der gegenüber uns Menschen den ersten Schritt macht. Diese Meinung kann in der vorliegenden Form aber aus mehreren Gründen nicht stimmen:

  • Sämtliche der über hundert in den Evangelien enthaltenen Bedingungen Jesu zeigen übereinstimmend auf, dass zuerst der Mensch aus seiner Freiheit heraus Glaubensschritte setzen muss, bevor Gott anschließend antwortend reagieren wird. Das zeigt in überwältigender Deutlichkeit  unsere menschliche Verpflichtung auf, zuerst den Willen des Vaters zu erfüllen, ehe er darauf antworten wird. Das ist auch sprachlich auf den Punkt gebracht, zum Beispiel: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6, 33). Und alle diese Bedingungen finden ihren gemeinsamen Nenner im „Vater unser“: Dein Wille geschehe – nicht unserer!
  • Natürlich hat Gott in seinem Schöpfungs- sowie Erlösungswerk den ersten Schritt gemacht. Bezüglich seines Handelns wartet er jedoch, wegen unserer Freiheit, auf unsere Entscheidungen, die er dann in Treue zu seinem Wort antwortend unterstützen wird. Würde Gott auch in seinem Handeln uns Menschen gegenüber jeweils den ersten Schritt machen, wären wir nicht frei, sondern nur Marionetten Gottes.
  • Der Gedanke, dass immer Gott den ersten Schritt setzen müsste, legt auch die Basis für die Theodizee -  Problematik. Die Kausalität für jegliches Leid und jegliches Übel läge dann in seinem Handeln bzw. in seinem ausbleibenden Handeln. Auch könnten wir all unser Versagen und unsere Schuld auf Gott abwälzen, weil er uns dann ja augenscheinlich nicht in der erforderlichen Weise geholfen hätte, frei von Sünde und Schuld zu bleiben. Nein. Wegen unserer Freiheit wartet er darauf, bis wir bereit sind seinen Willen zu erfüllen, ehe er darauf handelnd antworten wird.

 

3. Der kumulative Aspekt der Bedingungen

Alle Bedingungen Jesu sind kumulativ, das bedeutet, sie müssen gemeinsam erfüllt werden: Die jeweils versprochene Verheißung kann nicht erfüllt werden, wenn nur einzelne anstatt alle Bedingungen beachtet werden. Das kann am nachstehenden Beispiel aufgezeigt werden: Um katholischer Priester werden zu können, müssen u.a. folgende kumulative Bedingungen erfüllt sein: Der Kandidat muss 1. katholisch, 2. männlich, 3. volljährig, 4. unbescholten, 5. unverheiratet sein, 6. ein Theologiestudium absolviert haben und 7. für diesen Dienst die Weihe erhalten haben. Nur katholisch und männlich zu sein ist z.B. für das Priestertum definitiv zu wenig, das wird ohne Umschweifen eingesehen. Dass es bei den Evangelien die gleiche Notwendigkeit gibt, die vorhandenen kumulativen Bedingungen gemeinsam zu erfüllen, damit die Verheißungen Jesu wahr werden, das wird nur von den Wenigsten wahrgenommen.

Die Außerachtlassung dieses Aspektes der Kumulation ist eine ständige Quelle für glaubensmäßige Verunsicherungen: Wird die Aussage „Bittet, dann wird euch gegeben“ nur als Aufforderung zum Bitten, nicht aber als Bedingung verstanden, dann wird sie von den meisten Menschen als unglaubwürdig angesehen, weil sie ihrer Lebenserfahrung widerspricht. Wann haben wir denn jemals Erfahrungen des „Erhört- Werdens“ gemacht?  Dass die Erfüllung unserer Bitten mit der Erfüllung auch der anderen von Jesus aufgestellten Bedingungen kumulativ verknüpft ist, wird so gut wie nie wahrgenommen und deswegen auch nicht berücksichtigt. Deren gemeinsame Erfüllung ist aber die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Gott auf unser Bitten hin antwortend handeln und geben wird

Was können nun solche Bedingungen sein, die wir berücksichtigen müssen? Ganz entscheidend ist, dass wir, bevor wir unsere Bitten zum Altar bringen, mit Gott zur Gänze versöhnt sein und auch unseren Mitmenschen die an uns begangene Schuld vergeben haben müssen. Es geht nicht an, den zentralen Willen Gottes zu missachten und gleichzeitig von ihm etwas zu wollen. Ganz wesentlich ist auch ein tiefes Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und den Handlungswillen des Vaters. Ein fehlendes Vertrauen ist nur die andere Formulierung für ein vorhandenes Misstrauen, auf das hin Gott nicht antworten wird. Entscheidend ist auch die grundlegende Bereitschaft, im eigenen Denken und Tun den Willen Gottes zu erfüllen, so wie es Jesus mehrfach auf den Punkt gebracht hat: euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben. Gott wird auf unsere Bitten antworten.

Diesbezüglich können wir uns an folgender Aussage orientieren: Wir werden Gott durch unsere Bitten niemals überreden können etwas zu tun, was seinem Willen nicht entspricht. - Wir können es aber Gott durch unsere Bitten ermöglichen, das zu verwirklichen, was er in seiner Vorsehung schon längst tun wollte, es aber, aus Rücksichtnahme auf unsere Freiheit, bisher noch nicht verwirklicht hat.

Wenn wir bereit sind, in unserem Leben den Willen des Vaters zu erfüllen, dann können wir auf empirischer Ebene immer wieder feststellen, dass und wie Gott seine Verheißungen wahrmacht. Nicht zuletzt sind alle Heiligen Zeugen für die Richtigkeit dieser Aussage. Sie haben sich in ihrem Leben redlich um die Erfüllung seines Willens bemüht, sodass Gott in Treue zu seinem Wort auch durch sie und für sie handelnd antworten konnte.

 

 

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