Hans Kern
Hans Kern
Leibnitz / Österreich

Meine Freundin starb in meinen Armen, ich fühle mich trotzdem von Gott geliebt

Ich bin als Kind auf einem kleinen Bauernhof im Süden Österreichs aufgewachsen, habe aber schon früh meine Heimat als beengend erlebt und wollte weg, ich wollte die Welt kennenlernen. Als junger Mann bin ich dann aufgebrochen, ohne Geldmittel, ohne Fremdsprachenkenntnisse. Ich wollte meinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten unterwegs verdienen und dann wieder weiterziehen. Auf diese Weise war ich insgesamt 7 Jahre unterwegs. Mein Weg führte über die Türkei, den Iran, Afghanistan und Pakistan nach Indien. Ich lebte mit der einfachen Bevölkerung mit, arbeitete mit den Menschen, um mir Unterkunft und Nahrung zu verdienen und lernte deren Kultur und Glaube kennen. Rückblickend betrachtet ist mir bewusst, dass diese lange Reise letztendlich auch ein Suchen war, ein Suchen nach Sinn in meinem Leben. Für meine Eltern war dies schwer zu tragen, dass sie kaum wussten, wo ich war und wie es mir ging. Meine Mutter betete täglich, dass ich von Gott beschützt werde. Ich war tatsächlich oft in sehr großer Gefahr, vor allem in Afghanistan, aber mir passierte nichts, während mehrere Menschen neben mir gewaltsam ums Leben kamen. Rückblickend kann ich nur sagen, dass mich Gott immer wieder beschützt hat.

In Indien geriet ich in die Sekte „Children of God“, der ich über 4 Jahre angehörte und in der ich bald eine höhere Funktion hatte. Ich hatte nie die Absicht gehabt, diese Sekte zu verlassen. Ich hatte allerdings eine Tante, die eine katholische Nonne war. Wir mochten uns sehr gerne. Als sie erfuhr, wo ich gelandet war, hatte sie täglich intensiv für mich gebetet, damit mir Gott hilft,  mich aus dieser Sekte zu lösen. Als ich gerade im Begriff war, in Moskau eine neue Niederlassung für diese Sekte zu gründen, wurde ich durch eine Kette von himmlischen Fügungen aus dieser Sekte herausgeführt.

Ich habe durch dieses jahrelange Suchen Gott wiederum gefunden und mir wurde nun eine tiefe Beziehung zu Jesus geschenkt. In meiner Heimat hatte ich nun den Bauernhof meiner Eltern übernommen. Ich schloss mich einer Bibelrunde an, in der ich meinen Glauben vertiefen und schöne Freundschaften schließen konnte.

Mit dieser Freundesrunde wollten wir Anfang November 1988 einen gemeinsamen Ausflug machen. Die Tage waren für diese Zeit noch ungewöhnlich warm und so beschlossen wir, eine  Tageswanderung in ein Gebirge, dem Hochschwab, zu unternehmen. Wir machten uns frühmorgens zu siebent auf. Der Vormittag war noch sehr warm. Als wir uns bereits in einer Seehöhe von über 2.000 m, weit über der Waldgrenze, befunden hatten, änderte sich das Wetter sehr rasch, wir gerieten in dichten Nebel und es begann plötzlich zu schneien. Wir hatten in diesem felsigen Gelände überhaupt keine Sicht mehr und verloren jegliche  Orientierung. Als es dunkel wurde merkten wir, dass wir ohne entsprechende Ausrüstung – wir wollten ja nur eine Tageswanderung unternehmen - in dieser Höhe im Schneesturm übernachten mussten. In dieser Situation rutschte ein Freund an einer eisigen Stelle aus und stürzte rund 20 m in die Tiefe, wo er mit einem offenen Oberschenkelbruch liegen blieb. Wie sich später herausstellte, hat ihm dies das Leben gerettet, weil er in einem völlig windgeschützten Bereich zum Liegen gekommen ist, der noch von den letzten sonnigen Tagen erwärmt war. Wir hingegen waren dem eisigen Sturm ausgesetzt. Wir haben aber diese Nacht gemeinsam überlebt.

Am nächsten Morgen mussten wir eine schwere Entscheidung treffen: ein Teil der Gruppe musste versuchen, ins Tal abzusteigen und Hilfe zu holen und irgendwer musste beim Verletzten bleiben, wir wollten ihn nicht alleine zurücklassen. Ich entschloss mich bei ihm zu bleiben, die anderen sollten ins Tal zurückkehren. Meine Freundin Rosi wollte nicht gehen, sie blieb bei mir. Die anderen vier machten sich auf den Weg. Da sich das Wetter aber noch nicht gebessert hatte, es herrschte nach wie vor dichter Nebel und Schneesturm, verirrten sie sich bald darauf in eine steile und eisige Felswand, in der sie alle abstürzten. Niemand überlebte.

Für uns begann ein furchtbar langer und eisig kalter Tag. Rosi und ich versuchten uns gegenseitig ein wenig zu wärmen, es nützte nichts. Wir konnten nur immer wieder versuchen zu beten, wir bereiteten uns gemeinsam auf den Tod vor. Um 3 Uhr am Nachmittag ist dann Rosi in meinen Armen gestorben. Zuvor war sie schon in Agonie, ich musste sie bereits ständig halten. Plötzlich richtete sie sich mit großen, glänzenden Augen auf, ein unglaubliches Strahlen war in ihrem Gesicht und sie rief: „Jesus!    Jesus!!   Jesus!!!“  Dann fiel sie in meine Arme zurück und starb.

Ich habe sie hingelegt, mit einem für mich nicht erklärbaren Frieden im Herzen, es war ein Friede, den nur Gott schenken kann. Ich wäre selber mit einer großen inneren Ruhe gestorben, ich wusste ja nicht, wie lange ich selber in dieser eisigen Umgebung noch überleben würde, eine Stunde noch, oder zwei? Dann aber wurde mir bewusst, dass mein Freund unter mir schwer verletzt in einer Doline lag. Wenn Hubschrauber nach uns suchen würden, würden sie ihn alleine in diesem tiefen Loch niemals finden, es gab keine Spuren von uns, es war ja alles frisch verschneit. Ich hatte den Eindruck, am Leben bleiben zu müssen.

Die folgende Nacht war unglaublich schwer. Ich hatte über 48 Stunden nicht geschlafen und mehr als eineinhalb Tage in diesem eisigen Sturm aushalten müssen. Ich hatte bereits Nahtoderfahrungen, sah mein Leben wie in einem Lebensfilm. Als endlich der Morgen kam, hatte sich das Wetter gebessert, die Wolken hatten sich verzogen, dafür war es klirrend kalt, die Temperatur war auf rund – 15° C gesunken.

Wir wurden schon am ersten Tag als vermisst gemeldet, aber erst jetzt konnten sich insgesamt 150 Bergretter und 5 Hubschrauber aufmachen, um uns zu suchen. Ich konnte, mehr taumelnd als gehend, unter größter Anstrengung eine kleine Anhöhe erklimmen, auf der mich dann tatsächlich eine Hubschrauberbesatzung entdecken konnte. Mein Freund und ich überlebten. Mir mussten alle abgefrorenen Zehen amputiert werden.

So dramatisch diese Erlebnisse waren, ich kann nur beschreiben, dass ich die Berührung Gottes in dieser Zeit gespürt habe. Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod, ich freue mich, Gott eines Tages begegnen zu dürfen. Ich weiß, es ist schwer, dies glaubhaft in Worte zu fassen. Ich kann das nur mit meinem ganzen Leben, auch mit all dem, was ich zwischenzeitlich mit Gott erfahren durfte, bezeugen.

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