Deutschland
Nach Missbrauch hat mich Gott von den seelischen Verletzungen geheilt
Als Jugendliche wurde ich von meinem Gitarrenlehrer sexuell missbraucht. Ich schämte mich fürchterlich und traute mich nicht, mich irgendjemandem in meinem kleinen Heimatort – und schon gar nicht meiner Familie - anzuvertrauen. Mein Lehrer machte es in solch einer Weise, dass ich mich nicht wehren konnte. Dazu kam, dass ich es als braves Mädchen auch nicht gelernt hatte, mich gegen Erwachsene zu wehren. Es war für mich ein traumatisches Erlebnis, das ich nicht mehr überwinden konnte. Ich litt, hatte Angst und aß immer weniger. Irgendwann merkte dann meine Mutter, dass etwas mit mir nicht stimmen konnte. Es war auffallend, dass ich meine Gitarre nicht mehr zur Hand nehmen wollte, mich überkam dabei jedes Mal ein Ekel. Der Lehrer wurde von meiner Mutter zur Rede gestellt, aber für mich änderte sich dadurch nichts. Die seelischen Verletzungen waren zu groß. Ich war innerlich zerbrochen und verzweifelt. Ich hatte mein Vertrauen in Menschen verloren, hatte Angst, und zog mich immer mehr zurück. Ich wurde mit der ganzen Situation nicht mehr fertig und wurde magersüchtig. Ich konnte niemandem erzählen, wie es mir ging, und flüchtete mich in eine auf Lügen aufgebaute Scheinwelt. Ich wurde ein anderer Mensch. Es war ein Teufelskreis, aus dem ich nicht herauskam, und den ich als Selbstmord auf Raten empfand. Es folgten Jahre der ambulanten und stationären Behandlung in verschiedenen Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken, die aber nicht erfolgreich waren. Ich erlitt immer wieder einen Rückfall.
Ohne dass ich es merkte, hatte Gott mich aber auch in dieser Zeit nicht vergessen. Während der ganzen Zeit habe ich gebetet, ging zur Kirche, lernte tief gläubige Menschen und einen Priester kennen, die mir versprachen, für mich zu beten. Aber die inneren Verletzungen waren zu stark, ich fiel immer wieder in meine alte Verzweiflung zurück und auch in Verhaltensweisen, die sich gegen mich selbst richteten. Irgendwann gaben mich die Ärzte auf. Sie teilten meinen Eltern und mir mit, dass sie nichts mehr tun könnten, wenn ich nicht kooperierte. Es sei nur eine Frage der Zeit, wie lange mein Körper das noch mitmachen würde. Nun war ich am Ende. Weinend lief ich mit meinem Infusionsständer in die Krankenhauskapelle, ein Weg, den ich jeden Tag ging, aber dieser Tag war besonders. Ich eilte zum Kreuz und fiel vor dem Kreuz zu Boden. Ich weinte und schrie: „Jesus, wenn Du mir hilfst, gebe ich dir mein Leben“ - (ein Satz, an den mich Jesus bis heute immer wieder erinnert...) Dann spürte ich auf einmal, wie eine nicht in Worte zu fassende Liebe mich durchfloss, es musste die Liebe Jesu gewesen sein. Meine Schmerzenstränen wurden zu Freudentränen – noch nie hatte ich so eine Liebe gespürt. Ich kann es nicht in Worte fassen… Ich bat Gott um Verzeihung, hielt ihm meine ganzen Schmerzen hin und erfuhr seine Barmherzigkeit in vollem Maße. Die Liebe, die ich da gespürt hatte, hatte mich völlig auf den Kopf gestellt. Ich wollte nur noch in Seiner Liebe sein, alles andere wurde für mich unwichtig.
Ich wollte neu anfangen, meine Eltern um Verzeihung bitten für all das, was ich ihnen in dieser Zeit angetan hatte, …ich wollte die Welt umarmen und ihr von Jesu Liebe erzählen. Was ich aber nicht bedacht hatte, war, dass meine Umgebung mir nicht mehr traute. Ich hatte sie zu oft hintergangen, verletzt und belogen. Ich musste meinen Eltern und der Familie Zeit geben, wieder Vertrauen zu fassen.
Gott hatte seine Hand nie von mir gelassen. Er hatte aber auch in dieser schweren Zeit meine Eltern, besonders meine Mutter, näher zu ihm geführt. Begleitet durch das liebevolle und treue Gebet eines Priesters und vieler anderer Menschen, sowie durch das Fasten meiner Mutter, schafften wir es gemeinsam, diese schwere Zeit zu meistern. Immer wieder stellten wir uns neu unter den Schutz Jesu Christi.
Nach einigen Jahren konnte ich meinen Schulabschluss nachholen und studieren gehen. Auch diesbezüglich hatte mir Gott Türen geöffnet. Der schwerste Schritt lag aber noch vor mir. Ich spürte, dass ich meinem Peiniger verzeihen sollte. Er war aus Haiti und daher dunkelhäutig. Ich wollte als Krankenschwester die Patienten lieben und Jesus in ihnen erkennen, dabei wollte ich aber keine Angst vor dunkelhäutigen Männern haben. Es war ein sehr langer und schmerzhafter Prozess. Immer wieder hielt ich Gott nur meine Sehnsucht hin und sagten zu Ihm: „Herr, Du hast mir Deine ganze Liebe und Barmherzigkeit spüren lassen. Du bist für mich gestorben und auferstanden, Du hast mich erlöst! Ich danke Dir. Nun bitte ich dich: Ich möchte verzeihen, kann es aber nicht. Verzeihe Du, segne ihn, segne mich und hilf mir, ihm verzeihen zu können, so wie du mir verziehen hast“ Dieses Gebet sprach ich immer wieder unter Tränen und mit großem Schmerz, aber von ganzem Herzen.
Irgendwann war es dann soweit. Jesus schenkte mir eine kurze Begegnung mit meinem Lehrer, dabei konnte ich ihm in die Augen schauen und hatte ein ruhiges Herz, da wusste ich, dass ich ihm wirklich verziehen hatte. Gott hatte mein Gebet erhört. Nun erfüllte mich tiefer Frieden. Lob und Preis sei Gott.
Am Anfang meiner Krankheit musste ich Hormone nehmen, um meinen Zyklus wieder in Ordnung zu bekommen. Irgendwann sprach mich ein Arzt an und meinte, ich solle doch damit aufhören. Wenn die Seele wieder in Ordnung ist, würde auch der Körper wieder in Ordnung kommen. Das hat mich sehr tief getroffen, ich wollte schließlich heiraten und Kinder bekommen. So warf ich bewusst und voll Vertrauen die Hormone weg und auch diesbezüglich kann ich sagen: Gott schenkte mir drei wunderbare Mädchen. Dieses Bewusstsein erfüllt mich täglich mit Dankbarkeit.